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Themen

Nachgefragt und mitgedacht

In loser Folge erscheinen an dieser Stelle Stellungnahmen, Gedanken und Meinungen zu Themen der Energieversorgung.

03.01.2011

Netzstabilität

Die fluktuierende Einspeisung von Strom durch Wind- und Solaranlagen stellt eine Herausforderung für den Betrieb der Netze dar - von einem drohenden Zusammenbruch kann jedoch keine Rede sein.

Zum Jahreswechsel 2010/2011 werden in Deutschland Windkraftanlagen mit einer Nennleistung von ca. 28 GW und Photovoltaik-Anlagen mit einer Spitzenleistung von ca. 18 GWp installiert sein. Damit ist rein kalkulatorisch ein Niveau erreicht, dass der Grundlast, dem dauerhaft anzutreffendem Strombezug in Deutschland, entspricht. Theoretisch, so könnte man meinen, wäre in Schwachlastzeiten also eine Vollversorgung aus Wind und Sonne möglich - und alle thermischen Kraftwerke, egal ob mit Kohle, Erdöl, Erdgas oder nuklearem Brennstoff betrieben, müssten abgeschaltet werden.

Bei einer näheren Betrachtung fallen jedoch unmittelbar eine Reihe von fehlerhaften Annahmen auf: Es ist kaum davon auszugehen, dass alle Windkraftanlagen gleichzeitig mit voller Leistung Strom einspeisen. Die Nennleistung wird von Windanlagen in der Regel ab Windstärke 6-7 bft erreicht. Eine bundesweite Wetterlage mit dieser oder höherer Windstärke ist wenig realistisch. Das tageszeitliche Aufkommen von Wind ist von zahlreichen Faktoren abhängig. In Deutschland ist ein Auftreten stärkerer Winde vor allem in den Morgen- und Vormittagsstunden sowie am späten Nachmittag und frühem Abend wahrscheinlich. Die Schwachlastzeit fällt hingegen in die Nacht- und frühen Morgenstunden, insbesondere an Wochenenden. Im Winterhalbjahr ist mit einem stärkeren Windaufkommen als im Sommerhalbjahr zu rechnen - damit existiert tendenziell ein Ausgleich zur geringeren solaren Einstrahlung.

Bei Solaranlagen ist die Stromabgabe besser kalkulierbar als bei Windanlagen: Der tageszeitliche Verlauf der Sonne ist generell bekannt, das Maximum der Einstrahlung fällt in die Mittagszeit - jenem Zeitpunkt, zu dem die Stromabnahme einen täglichen Höhepunkt erreicht. Damit tragen gerade Gebäude-integrierte Photovoltaik-Anlagen zu einer Entlastung der Netze bei, denn dank des dezentral eingespeisten Stroms wird weniger Strom aus weit entfernten Kraftwerken benötigt. Erst wenn in ländlichen Gebieten mit geringerem Strombedarf zahlreiche große Solaranlagen installiert werden, ist ein Netzausbau unumgänglich. Und analog wie bei den Windanlagen gilt auch für Solaranlagen: Nur bei klarem Himmel und für wenige Stunden am Tag können sie ihre volle Leistung erreichen, daneben sind auch die Ausrichtung der Anlage und die Jahreszeit maßgeblich. Wiederum wäre es wenig realistisch davon auszugehen, dass alle Anlagen gleichzeitig mit maximaler Leistung einspeisen. Eine Wetterlage mit unbewölktem, klarem Himmel in der Mittagszeit und dem gleichzeitigen Auftreten von Starkwind ist noch weit unwahrscheinlicher.

Damit wird bereits deutlich, dass das eingangs beschriebene Szenario - die einfache Summation von Anlagenkennzahlen - die tatsächlichen Verhältnisse keinesfalls korrekt abbildet. Weiterhin wurde im EEG (2009) §6 festgelegt, dass Anlagen mit einer Leistung von mehr als 100 kW durch den Netzbetreiber in ihrer Leistung ferngesteuert werden können, um Netzüberlastungen zu vermeiden. - Das betrifft sämtliche seither neu errichteten Windkraftanlagen (Anlagenleistung typ. 2.000 kW) und de facto auch Photovoltaik-Anlagen ab einer Größenordnung von ca. 600-1.000 m². Letztere sind auf Grund einer Gesetzeslücke derzeit noch ausgenommen. Schließlich wird in einem Entwurf der künftigen Niederspannungsrichtlinie diskutiert, dass auch Solarwechselrichter kleinerer Leistung zur Blindleistungskompensation in Niederspannungsnetzen beitragen sollen. Wie in einer Studie der Unternehmensberatung Roland Berger und des Fraunhofer IWES berechnet wurde, kann die Aufnahmefähigkeit der Niederspannungsnetze für Strom aus Photovoltaik-Anlagen durch die Bereitstellung von Blindleistung deutlich erhöht und in einigen Fällen auch mehr als verdoppelt werden.

Klar ist: Ein Umbau der Stromversorgung hin zu regenerativen Technologien ist nicht ohne Umbau der Stromnetze möglich. Speicher werden dabei künftig eine wichtige Rolle übernehmen, die fluktuierende Einspeisung dem jeweiligen Bedarf anzupassen - doch dazu mehr in einem späteren Beitrag. Der in einigen Publikationen beschworene Netzkollaps entpuppt sich hingegen als ein Produkt der Unkenntnis der zu Grunde liegenden Sachverhalte.

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